Peter Zollner
Vorentwertung mit Lineal von Günzburg. Da ungenügend oder gar nicht abgestempelte Marken im Entdeckungsfalle einem bayerischen Postexpeditor zum Zehnfachen des Markenwertes als Strafe in Rechnung gestellt wurden, kamen einige Postbeamte schon ganz früh auf die Idee, die Marken bereits vor deren Befestigung auf dem Brief zu entwerten.
Und weil laut einer Ausschreibung vom 12. November 1849 bis zur Einführung der Mühlradstempel ohnehin eine jede Marke als Zeichen der erfolgten Kontrolle zusätzlich zum Stempel einen Federzug hätte tragen müssen, brachten einige findige Postler diesen noch vor dem Aufkleben der Marken und gleich bogenweise an. Dies geschah teils frei Hand, im schwäbischen Günzburg aber mit Lineal. Vorentwertungen sind nur auf Brief oder Briefstück nachzuweisen und daran zu erkennen, dass die im Bogen angebrachten Federstriche logischerweise nicht auf die Unterlage übergehen und am Schnittrand der jeweiligen Marke enden. In den Ecken sieht man auch noch Strichfragmente, die eigentlich zum Federkreuz der Nachbarmarke(n) gehören. Selbstverständlich wurden die Marken nach dem Aufkleben dann zusätzlich mit dem Ortsstempel versehen, um den Aufgabeort zu dokumentieren. Der gezeigte Brief vom 12. Januar 1850 ist einer von weniger als einer Handvoll registrierten Ganzbelegen, die erhalten geblieben sind. Vorentwertungen sind nicht zu verwechseln mit den wesentlich häufigeren Vorausentwertungen mit Mühlradstempeln, die freilich aber auch nicht gerade zur Massenware gehören.